Der Gulfhof

Zur Geschichte

Der noch heute in seiner fast ursprünglichen Größe und Beschaffenheit zu besichtigende Gulfhof wurde im Jahre 1843 von Hinrich Harms Groenewold errichtet. Vor dieser Zeit, weit bis in das 18. Jahrhundert zurück, befand sich hier bereits eine Hofstelle von Hinrich Lübben Groenewold. Im Verhältnis zum heutigen Gebäude muss diese allerdings recht bescheiden gewesen sein. In einer Schätzung der Ostfriesischen Brandkasse aus dem Jahre 1768 wurde das Haus mit Scheune des Hinrich Lübben Groenewold mit nur 250 Reichstalern bewertet, der Neubau des Hinrich Harms Groenewold im Jahre 1843 hingegen mit 3.000 Reichstalern.

Errichtet wurde das Gebäude im für Gulfhäuser typischen roten Backsteinmauerwerk. Auffallend ist hier das enge, gleichmäßige Fugennetz, das aus Lehm und Muschelkalk besteht. Der Giebel im Erdgeschoß hat vier und im Dachgeschoß zwei Fensterachsen. Die Giebelspitze ist abgewalmt und mit breitem, profiliertem Gesims versehen. Oberhalb der Erdgeschoßfenster verbinden die geschmiedeten, einfachen Maueranker Giebelmauerwerk und Holzbalken miteinander. Zwischen den Fensteröffnungen in der Dachgeschoßebene befindet sich ein herzförmiger Eisenanker mit Initialen des Erbauers.

Das Dach wurde halb mit Dachpfannen bedeckt. Unter den Pfannen wurden noch die sogenannten Docken gelegt, um dem Einwehen von Schnee entgegenzuwirken. Die reetgedeckte und daher leichtere obere Hälfte gibt dem sensiblen Dachgebälk, das daher sparsamer mit Holz ausgearbeitet wurde, sicheren Schutz vor stärkeren Winden und Unwettern.

Bei den Restaurierungsarbeiten wurde festgestellt, dass die Malerarbeiten im Hause eine besondere Qualität hatten. Der Erstanstrich war in kleinen Flächen erhalten, so dass die bis dahin verborgene Malerei in der Upkamer, der Winterküche, dem Flur und der Sommerküche rekonstruiert werden konnte. Die Wandmalerei ist mit verschiedenen Pappschablonen ausgeführt. Sie wurden nach genauer Befunduntersuchung angefertigt. Die hohe Qualität der Malerei ist überraschend und hat ihren Ursprung in den Bürgerhäusern der Städte. Entwürfe des bekannten preußischen Hofarchitekten Schinkel zeigen Wandgestaltungen dieser Art. Die übrige Ausgestaltung der Räume mit Balkendecken, Holzdielungen und Tonfußplatten bildet insbesondere in der Winterküche einen starken Kontrast zur städtischen Wandmalerei.

Bis 1974 war der Hof im Besitz der direkten Nachfahren des Hinrich Lübben Groenewold. Danach ging er in den Besitz der Familie Eilers über, die den Hof bis in die 1980er Jahre bewirtschaftete. 1989 wurde das Grundstück mit dem nahezu verfallenen Gebäude vom Landkreis Aurich aufgekauft. Der denkmalgeschützte Gulfhof wurde daraufhin in den Jahren 1993 bis 1995 umfangreich restauriert und dient seither als Naturschutzstation "Fehntjer Tief". Beim Aufbau des Hauses hat man auf den Aufbau des 4. Gulfes verzichtet. Das Ständerwerk des 4. Gulfes fand bei der Restauration eines weiteren Gulfhofes in der Ortschaft Lübbertsfehn Verwendung.

Der Flur trennt den Wohnbereich von den Wirtschaftsräumen. Vom Flur aus erreicht man alle Räume, die sich im Wohnbereich des Hauses befinden.

Bei den Restaurierungsarbeiten im Jahre 1994 wurden im Gebäude Wandmalereien entdeckt, die noch Zeugnis vom künstlerischen und handwerklichen Geschick der damaligen Handwerker geben. In der Regel wurden diese handwerklichen Dienste von den damals auch in ländlichen Gegenden umherziehenden Handwerksburschen verrichtet, häufig gegen Kost und Logis. Für die Herstellung der aufwändigen Malereien im Flur mußten 10 verschiedene Schablonen hergestellt werden, um das vollständige Muster zu erhalten. Die Malereien wurden mit Wasserfarben ausgeführt und geben Zeugnis vom besonderen Wohlstand der bäuerlichen Familie.

Zwischen Flur und Wirtschaftstrakt befindet sich eine dicke Mauer, die sogenannte Brandschutzwand. Sie sollte das Übergreifen eines möglichen Feuers in den Heukammern (Gulfe) auf den Wohnteil des Gebäudes verhindern.

Die Winterküche diente den Hausherren als Wohnstube, Küche und Schlafkammer zugleich.Aber nicht nur daraus darf man ihre erstaunliche Größe ableiten: Als Prachtstube sollte sie schließlich eine die Vermögensverhältnisse offenbarende Dimension besitzen. Die Wandmalerei in diesem Raum, für die 4 Schablonen hergestellt wurden, ist im Kontrast zu den übrigen Räumen nach antikem Geschmack mit Anklängen an pompejanische Wandmalerei - kühl und zurückhaltend.

Geschlafen wurde in den sogenannten Butzen, die sich durch einen einfachen Holzverschlag vom Raum loslösen. In einer der Butzen befand sich früher eine kleine Treppe, die in die Kornkammer führte. Ebenfalls nicht mehr vorhanden ist die Herdstelle, ein Kamin, ehemals an der Wand zur "Upkamer" zu finden. Vornehmlich im Winter hatte man diesen Kamin in Gebrauch, in den anderen Jahreszeiten wurde dann der Kamin der Sommerküche benutzt, daher dann auch die Bezeichnung "Winterköken" oder Vörköken. Die Tonplatten des Bodens sind neu, aber nach altem Muster gefertigt und eingelegt. Eine der echten Eigentümlichkeiten ostfriesischer Gulfhöfe ist selbstverständlich auch hier vertreten: die Block-Schiebefenster. Zur besseren Isolation wurden bei der Restaurierung zusätzlich noch innenseitige Fenster eingebaut.

Eine in den Boden eingefügte Luke verschafft bequemen Zugang in den Keller.

Der Raum wird heute als Büro vom Landkreises Aurich genutzt.  

Die Bezeichnung "Upkamer" beschreibt die höhere Lage dieses Zimmers gegenüber den anderen Räumen. In der Upkamer wurden zwischen den Holzbalken mehrfarbige Bordüren rekonstruiert, für die 5 verschiedene Schablonen hergestellt werden mußten. Die Malerei hier hat florale, bunte Motive, die frei Hand staffiert sind und einen heiteren Eindruck vermitteln. Unmittelbar unter diesem Raum befindet sich der Keller. Der musste wegen der relativ hohen Grundwasserstände eine höhere Position als üblich einnehmen, so dass der Raum darüber entsprechend höher angelegt wurde. Der Fußboden der Upkamer ist aus Holz.

Unter dem hölzernen, aufklappbaren Treppenaufgang vom Flur in die Upkamer kann man über eine gemauerte Treppe in den Keller hinabsteigen, wo die Milch gelagert wurde. Diesen Kellerzugang hatte scheinbar das Personal zu wählen.

Die Upkamer war der verlängerte Arm der "Winterköken" und hatte zuvorderst den Zweck einer Wohnstube und eines Paradezimmers. Gelegentlich wurde es auch als Gästezimmer genutzt. Auch hier befinden sich die traditionsreichen Butzen und die obligatorischen Block-Schiebefenster.

Der Raum wird heute als Büro vom NLWKN genutzt.

Den Keller erreicht man zum einen über eine gemauerte Treppe von der Upkammer aus, zum anderen über eine Holzluke in der hinteren Ecke der Winterköken.

Im Keller wurden die Nahrungsmittel gelagert. Insbesondere den Vorräten, die leicht zu verderben drohten, bot der Keller eine ideale Lagerstätte, war er doch ein stets kühler und verhältnismäßig dunkler Raum.

Trockengehalten wird der Keller und das Mauerwerk des Hauses von den Linden vorm Haus.

 

Die Sommerküche war Wirkungskreis des Hausgesindes. Ebenso wie die Hausherren in der Winterküche, lebte das Gesinde in der Sommerküche: Hier wurde gewohnt, geschlafen - auch in den Butzen - und schließlich gekocht.

Sommerküche deshalb, weil hier hauptsächlich im Sommer das Essen zubereitet wurde. Der Kamin ist, bis auf die Delfter Kacheln, originalgetreu wieder hergerichtet worden; das gleiche gilt für den sog. "Goetsteen", der im Wohntrakt des Gulfhofes mit der Wasserpumpe den einzigen "Wasserhahn" dargestellt hat.

Auch hier befinden sich, zwar nicht so aufwändig wie in den anderen Räumen, Wandmalereien in Schablonentechnik. Unmittelbar an die Sommerküche schließt sich der ehemalige Wirtschaftstrakt des Gebäudes mit dem Karnhus an.

Der Raum wird heute als Büro für die Flächenverwaltung des Landkreises Aurich genutzt.

Der 2. Stock des Wohntrakts wird von nur einem Raum eingenommen, dem Kornboden. In seiner Nutzung, der Name sagt es schon, ist er bereits dem Wirtschaftstrakt zuzuordnen. Hier lagerte das in der Dreschdiele gedroschene Korn.

Nebenbei bemerkt: Bei der heutigen Nutzung als Seminarraum ist auf eine maximale Last von 50 Personen zu achten. Fehlende Stützkräfte der beiden darunterliegenden großen Räumlichkeiten machen diese Rücksichtnahme erforderlich.

Der Gulf, direkt hinter der Brandmauer, wurde ausgebaut. Unten sind Sanitäranlagen für Besucher und Beschäftigte der Naturschutzstation entstanden. Für die Bewohner der Naturschutzstation wurde im oberen Teil dieses Gulfes noch eine Küche eingerichtet.

Im Karnhus wurde damals die Milch zu Butter und Käse weiterverarbeitet. Der angrenzende kleine "Kühlraum" dient heute der Gerätelagerung.   

Dort, wo sich früher die Kuhställe mit der Jauchegrüppe befanden, findet man heute 3 in sich geschlossene Räume, die bei der Restauration des Hofes geschaffen wurden, um Arbeitsräume für Praktikanten und Schulklassen zu schaffen. Bei Bedarf können hier Labore entstehen, die weiterführende Schulen in Kooperation mit dem außerschulischen Lernort der Naturschutzstation zum Mikroskopieren von Pflanzen oder auch für Gewässer- und Bodenuntersuchungen nutzen können . Die Wand zu den Gulfen wurde im Rahmen der Renovierung errichtet. Über die Labore befinden sich heute die Wohnräume der FÖJlerInnen und Praktikanten.

 

Dort, wo sich früher die Toilette des Hauses befand, ist heute ein kleiner Aufenthaltsraum für das Personal.

Der Pferdestall schließt sich räumlich den Gulfen an und ist zweireihig angelegt. Der zur Außenwand gerichtete Schweinestall ist ehemals auch ein Pferdestall gewesen. Die bei der Restauration gewählte Kombination von Pferdestall und Schweinestall war die gebräuchliche Nutzungsform in ostfriesischen Gulfhäusern.

Da der Pferdestall übrigens verhältnismäßig viel Raum eingenommen hat, mußte auch das Gebäude selbst eine stattliche Breite besitzen, um den Stall überhaupt in sich aufnehmen zu können. Generell kann man somit für die Gulfhäuser feststellen, dass, wenn ein Gebäude zunehmend breit ist, der Hof ein Ackerbaubetrieb gewesen sein muß, denn je mehr zu bewirtschaftende Ackerfläche der Hof besaß, umso mehr "Ackergäule" waren vonnöten. Früher war die Anzahl der Pferde Ausdruck von Größe und Reichtum des jeweiligen landwirtschaftlichen Betriebes. Pferde waren damals für die Bestellung der Felder unentbehrlich.

Die Butzen waren der Schlafplatz des Hauses. In einer Butze befanden sich meistens 2 recht kleine Betten, ca. 1,60 m lang und 0,80 m breit, hintereinander aufgestellt. Die Matratze bildete ein Stroh/Reetlager. Der Raum unter den Betten wurde in einigen Häusern auch als Stauraum für Kartoffeln genutzt. An der Decke bewahrte man oftmals die aufgefädelten Bohnen (Updrögt Bohnen) auf. Heutzutage werden die Butzen als Aktenschränke genutzt.

Die Gulfe, die auch namensgebend für den "Gulfhof" sind, bilden das Herzstück des Hauses. Die meisten bäuerlichen Betriebe in den Fehngebieten verfügten nur über einen Gulf. Auf dem Hof der Familie Gronewold hatte man jedoch 4 Gulfe, von denen 3 nach wie vor vorhanden sind. Bei den Gulfen handelt es sich um drei große Gefache, die zur erdgebundenen Lagerung der Erntevorräte dienen.

Vier durchmesserstarke skandinavische Kiefern geben einem Gulf seinen würfelartigen Umriss. So sind hier sechs solcher Kiefernstämme aneinandergereiht und bieten den drei Gulfen, von denen 2 im originären Zustand erhalten geblieben sind, den ihnen angemessenen Platz. Die Erntevorräte, die hier eingelagert wurden, erfuhren damit eine "erdlastige" Lagerung.

Die beiden sich gegenüberliegenden großen Scheunentore verweisen auf den ehemaligen Wirtschaftsweg durch die Gulfscheune: Mit Pferd und Wagen konnte so hinten in das Gebäude hineingefahren werden und vorne wieder hinaus - ohne eine Kehrtwende innerhalb des Gulfs machen zu müssen (was indessen auch äußerst schwierig geworden wäre). Außerdem wurde auf dieser Fläche noch das Korn gedroschen, deshalb ist auch die Bezeichnung Dreschdiele noch gebräuchlich.

An der Wand der Dreschdiele wurde das Brennmaterial, vorrangig Torf, gelagert. Im Volksmund nannte man diesen Bereich "Utküben oder Törfhörn". Ein kleinerer Bereich des Seitenschiffes gehörte dem Federvieh und im äußersten Winkel befand sich der Fohlenstall.